Presse

Das Theater muss schließen

Theater am Sachsenring gibt nach 33 Jahren auf

Köln – Er liebt Köln über alles, doch das Lachen ist ihm jetzt endgültig vergangen: Joe Knipp (65) schließt sein berühmtes Theater am Sachsenring (TAS) zum Jahresende.
Nach 33 Jahren das traurige Ende der bekannten Südstadtbühne. „Mein Entschluss ist endgültig“, sagt der beliebte Theatermacher zu BILD. „Der jahrelange Kampf um Förderung unseres Hauses hat uns mürbe und müde gemacht.“

100 000 Euro Förderung im Jahr hätten gereicht. Gebuchte Kurse, Vorstellungen, Premieren. Alles abgesagt ab 1. Januar 2020.

(Michael Bischoff für BILD)

 

Kölner Theater-Institution gibt nach 33 Jahren auf

von Susanne Hengesbach (Auszüge)

Eines der ältesten Theater der Stadt streicht die Segel: Nach 33 Jahren soll am 31. Dezember die letzte Vorstellung über die Bühne des Theaters am Sachsenring gehen. Es ist keine spontane Entscheidung … sagt Theaterleiter Joe Knipp dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (…)

Danach befragt, woran es seiner Meinung nach liegt, dass die Stadt dem Theater keine Unterstützung gewährt, muss Knipp weiter in die Vergangenheit schauen. „Das fing an mit meinem Engagement bei der Kölner Theaterkonferenz. Ich habe Plänen widersprochen. Ich habe auf Vielfalt gesetzt.“ Das, was er zurzeit erlebe, sei „die genetische Fortsetzung einer Gegnerschaft…“

Wertvolle Unterstützung sei stets aus den Reihen des Publikums gekommen, von Freunden und aus dem Ensemble. Nicht aus dem Kulturamt. „Irgendwann wurde uns klar, dass Stolz selbst für ein kleines Theater eine wichtige Rolle spielt.“ Sie seien immer nur mit der Arbeit beschäftigt gewesen und mit der Freude über die Ergebnisse…

Bevor das Theater endgültig seine Pforten schließt, werde es noch „eine letzte Vorstellung nach der anderen“ geben. Gerade war es „Dracula“. Da sei erst Blut, und dann seien Tränen geflossen – „im Publikum und bei den jungen Schauspielern, die mit uns groß geworden sind.“

KULTURSCHOCK DER WOCHE

Kommentar von Frank Olbert (KSTA vom 26. Oktober 2019)

…und alle Fragen offen

über die Misere des Theaters am Sachsenring

In der bevorstehenden Silvesternacht wird sich der Vorhang im Theater am Sachsenring in Köln voraussichtlich zum letzten Mal schließen. Dann ist der letzte Akt in der Geschichte eines der ältesten freien Theater der Stadt zu Ende gespielt, und es spricht vor allem Frust und Resignation aus den Worten seines Leiters Joe Knipp, wenn er feststellt: „Der jahrelange Kampf um Förderung unseres Hauses hat uns mürbe gemacht.“ Gerne betont die Stadt, wie wichtig ihr die Freie Szene, wie lebendig diese gerade in Köln sei, doch nun scheitert das weitere künstlerische Überleben am Sachsenring offenbar an einer nicht ausgezahlten Überbrückungshilfe in schwierigen Zeiten. Sollte tatsächlich die Kulturbürokratie das letzte Wort behalten?

Wahre Wertschätzung, liebe Stadt, zeigt sich doch dann besonders, wenn es mal nicht so gut läuft. Dass das Verhältnis zwischen Theater und Kulturamt zerrüttet scheint, darf doch kein Grund sein: Eheleute mögen sich im Sturm der Gefühle scheiden lassen, unter Partnern wie in diesem Fall aber sollte die Vernunft siegen. So schließen wir uns Brechts Epilog in „Der gute Mensch von Sezuan“ an, den manche für eine Erfindung von Marcel Reich-Ranicki halten, doch der kannte wohl kaum das Theater am Sachsenring und dessen aktuelle Misere: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen/Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

Leserbrief

Betr. KStA vom 22. Oktober 2919, „Das Theater am Sachsenring gibt auf“ und KStA vom 26. Oktober „Kulturschock der Woche“

Die Nachricht, daß das Theater am Sachsenring (TAS) zum Ende dieses Jahres aufgibt, empfinden auch wir als Schock!
(…)
Seit 33 Jahren ist das TAS fester Bestandteil dieser Kölner Theaterszene. Wer erinnert sich nicht an die großen Erfolge der Vergangenheit wie „Das Fest“ (Kölner Theaterpreis 2003) oder „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“? Aber auch in den letzten Jahren überzeugte uns das TAS mit großem Welttheater auf kleinster Bühne („Peer Gynt“ / „Dracula“) wie mit intensivstem Kammerspiel („Der Gott des Gemetzels“, „Die Möwe“) oder mitreißenden postdadaistischen Gesamtkunstwerken („Die Käfer“, „Püdel Tam Tam“). Jede Aufführung im TAS verspricht großes Schauspielertheater. Joe Knipp als Regisseur gelingt es, intensive und vielschichtige Rollenporträts zu zeichnen mit bekannten Größen der Theaterszene wie mit jungen Schauspielerinnen und Schauspielern, die auf Augenhöhe agieren.  Und die phantasievolle Bühnen- und Kostümgestaltung von Hannelore Honnen schafft Atmosphäre auf kleinstem Raum.

Und dies alles soll einfach verschwinden? Soll den jungen Schauspielerinnen und Schauspielern und allen anderen Mitwirkenden, die im TAS ihre künstlerische Heimat haben, der Boden unter den Füßen weggerissen werden? Soll die für diese Spielzeit geplante und mit großer Spannung erwartete Uraufführung einer dramatisierten Fassung eines der großen Romane des 20. Jahrhunderts, Bulgakows „Der Meister und Margerita“, nicht mehr realisiert werden?

Die Stadt Köln bezahlt eine Kulturdezernentin. Wie hat sie Stellung bezogen? Was hat sie zur Rettung des TAS unternommen? Oder erklärt sie sich wieder für „nicht zuständig“ wie beim Desaster der Sanierung der Bühnen der Stadt Köln 2015? Oder liegt das TAS unter ihrer Wahrnehmungsschwelle – es geht hier ja nicht um Millionenbeträge?
Wie hat die Kulturpolitik reagiert? Nimmt sie das Ende des TAS achselzuckend zur Kenntnis? (…)
Vielen Dank für die klare Berichterstattung und Kommentierung im KStA!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Gabriele von Siegroth-Nellessen
Rainer Nellessen

Interview im Kinomagazin Choices

(Foto: Barbara Siewer)

Eine Nachricht, die Theaterfans in ganz Köln erschrecken ließ: Das Theater am Sachsenring muss seine Tore nach langem Kampf um finanzielle Unterstützung schließen. Seit 1987 wird es von Regisseur Joe Knipp und Kunsterzieherin Hannelore Honnen gemeinsam geleitet. Nun ist Schluss. Bei Gebäck und Tee trafen wir den Regisseur, der schon vor der ersten Frage ein Statement setzt: „Wieso interessieren sich Medien und Presse nicht für ein Theater, wenn es im Betrieb ist und eine Premiere nach der anderen macht, sondern erst, wenn vorbei ist?“

choices: Herr Knipp, die Entscheidung, das Theater am Sachsenring nach 33 Jahren aufzugeben, wird Ihnen nicht leicht gefallen sein. Wie genau ist es dazu gekommen?

Joe Knipp: Dass es nicht leicht fällt, ist schon deswegen erklärlich, weil wir im Moment eigentlich noch einmal auf einem Höhepunkt von künstlerischer Qualität gelandet sind. Es läuft eigentlich gut, die Schauspieler sind beieinander und die Produktionen von Ingrid Lausund „Tür auf Tür zu“ oder „Die Zauberflöte“ oder jetzt „Die Weihnachtsengel“ macht einfach Lust. Die Entscheidung hat sich ein Jahr lang hingezogen. Ausgelöst wurde das ganze durch einen finanziellen Engpass. Das kann natürlich bei einem Theater passieren, das 14 Jahre lang ohne Grundförderung auskommen muss. Wir haben das Kulturamt und die Politik um Überbrückungshilfe gebeten, diesen finanziellen Engpass zu meistern. Und das Kulturamt hat es wirklich geschafft, zu jeder Sitzung des Kulturausschusses keine Vorlage einzureichen, sodass ich von den Politikern immer nur die Information bekam, dass sie nichts machen können. Und ganz zum Schluss, ein Jahr danach, genauer gesagt im Juli diesen Jahres, sind wir zum Gespräch gebeten worden und da wurde uns dann mitgeteilt, dass wir keine Grundförderung bekommen, dass sie beschlossen haben, kein Projekt mehr zu unterstützen und dass sie uns auch nicht helfen werden. Das hat dann zu einem der seltenen Fälle geführt, dass die Kulturpolitiker aus dem Kulturausschuss ihrer Verwaltung gesagt haben: „So geht das nicht mehr. Wir wollen dem Theater helfen und sie müssen da einen entsprechenden Entschluss fassen.“ Wir haben von Anfang an keine hohe Summe beantragt, aber als dann die ausgezahlte Summe nur noch 15% der beantragten Summe entsprach, war uns klar, ohne Projektzuschüsse, ohne Hilfe, ohne Grundförderung kann man das Theater nicht halten. Und bevor uns hier so überschulden, dass wir nicht mehr wissen, wo hinten und vorne ist, machen wir lieber zu.

Wieso glauben Sie, hat man die Förderung eingestellt?

Das ist immer noch das große Rätsel. Es gibt viele Vermutungen, die mit dem Datum des Streichens aller Förderungen zusammenhängen. Das war 2005. Ich bin damals Vorsitzender der Theaterkonferenz gewesen und habe dezidiert gegen die Vorschläge der Verwaltung gearbeitet im Interesse aller Theater. Es ging uns darum, dass man die Vielfalt der Szene unterstützt. Damals gab es neue Förderkonzepte, die besagten, dass nur noch wenige Theater mit einer sogenannten Spitzenförderung gefördert werden und der Rest kann sehen, wo er bleibt. Und da sind wir immer schon dagegen gewesen. Mein Widerstand war so ausdrücklich, dass ich auch wusste, dass ich mir richtig Feinde gemacht habe. Und wenn man sich in einer Verwaltung Feinde macht, dann habe ich manchmal das Gefühl, es vererbt sich. Das hatte politische Gründe. Es hat dann auch immer wieder Hinweise gegeben, dass man gesagt hat: „Diese Art von Theater ist ein Theater von gestern. Wir fördern performatives Theater, Crossover, Experimentelles, eben alles, was auch eine politische Überschrift hat.“ Und ich würde das mal so hart sagen, dass das die Dummheit in Verwaltungen ist, die wirklich nicht wissen, wovon sie reden. Denn es sollte jede Art von Kunst geben.

Wie haben die Schauspieler am Theater auf die Nachricht reagiert?

Die waren entsetzt! Es ist sofort angekommen. Das ist mit vielen Tränen verbunden gewesen. Bei den letzten Vorstellungen durfte ich manche gar nicht mehr ansprechen, weil dann die Tränen schon flossen. Aber es gibt einige, die sich dann nochmal aufgerafft haben, um zu sagen: „Wir müssen es irgendwie doch hinbekommen.“ Und ich habe zugestimmt. Es wäre mir schon lieb, wenn das weiterhin ein Theater bleibt. Das hängt aber vom Vermieter ab. Und wenn es ein Theater bleibt, dann gibt es vielleicht die Möglichkeit, wenn sich ein paar Leute zusammenschließen und eine neue Leitung bilden, dass man das dann halten kann. Und ich werde dann als Regisseur auch weiterarbeiten – irgendwo. Aber die Zukunft ist offen.

Also könnte es trotzdem sein, dass es bald hier ein neues Theater gibt?

Ja. Aber nicht mehr so, wie es das bisher gab. Das bisherige Theater am Sachsenring mit dem speziellen Spielplan wird definitiv schließen.

An welche Momente denken Sie in über dreißig Jahren TAS gerne zurück?

Ich bin tatsächlich ein altes Theaterpferd und ein typischer Regisseur. Ich erinnere mich am liebsten an Probenprozesse. Die Proben, bevor das Stück rauskommt, sind das Schönste. Ich habe immer ein glückliches Händchen gehabt, um Schauspielerinnen und Schauspieler zu finden, die gepasst haben, und wo gleichzeitig das menschliche Verhältnis in Ordnung war. Und dann hat man einen sehr geschlossen Raum während der Probenzeit, wo alle alles dürfen, wo man ausprobieren kann und sich sehr zugeneigt ist. Ich würde das ungerne mit Familie vergleichen, aber es sind so ein bisschen Wahlverwandtschaften, die sich da bilden. Und es ist immer ein sehr intensiver Prozess, den man gemeinsam durchsteht.

Gibt es etwas, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Einer der Höhepunkte war die Produktion „Das Fest“ von Rukov und Vinterberg, wofür wir dann auch mit dem Theaterpreis ausgezeichnet worden sind. Das waren immerhin elf Schauspieler, die ich da zusammenbringen sollte auf der kleinen Bühne. Alle unterschiedlicher Generationen. Und das ist ein toll geschriebenes Stück, das aber auch dramatische Schritte hat. Und diese dramatischen Schritte haben sich auch im Probenprozess wiedergespiegelt. Und das war glaube ich die intensivste Produktion, die ich je gemacht habe – und die erfolgreichste. Also es ist schon ungewöhnlich, dass eine freie Produktion zum Schluss mit 5000 Zuschauern herauskommt und noch ein Gastspiel im Schauspielhaus bekommt, die uns dann auch nochmal geholt haben, weil das wirklich im Stadtgespräch war. Aber auch die Zusammenarbeit mit dem Kabarettisten Thomas Reis, dessen Stück „Die Weihnachtsengel“ ja ist. Ebenfalls eine wahnsinnige Erfahrung war das Wagnis, „Die Zauberflöte“ ohne Musik nur mit dem Text von Schikaneder zu machen. Interessant dabei ist, man lässt sich immer gerne von der ganzen Oper verzaubern, aber wenn das wie ein Schauspiel gespielt wird, dann versteht man erstmal die Geschichte. Das ging sogar mir so.

Am 14. November startet mit „Die Weihnachtsengel“ die letzte Premiere. Freuen Sie sich trotzdem auf die Vorstellung oder sind Sie eher wehmütig?

Im Gegensatz zu den Schauspielern habe ich es noch nicht so ganz realisiert. Die kriegen auch manchmal so Anwandlungen, dass sie für einen Moment nicht mehr können. Und da ich immer noch in den Arbeitsprozessen drin stecke, wie sie eh und je waren, wird das wahrscheinlich auch erst viel später auftreten. Aber ich freue mich auf die Premiere. Das wird toll, weil ich diesen Text liebe und das Stück auch gut in die Gänge kommt. Die beiden Damen, die die Weihnachtsengel spielen, gehen da wieder mit brachialer Schauspiellust dran. Und das steckt natürlich an.

Die Proben für das Stück haben wir ja schon bei der Theaternacht ansehen können. Da hat man gemerkt, dass Ihnen Proben sichtlich Spaß macht. Sie haben viele Anweisungen gegeben und mit den Schauspielern Witze gemacht. Ich glaube auch, dass das Publikum sich gut unterhalten gefühlt hat.

Wir haben danach auch noch ein paar schöne Reaktionen bekommen. Überhaupt war die  Theaternacht nochmal ein Musterbeispiel für die Lust am Theater und die Lust des Publikums an unseren Stücken. Die schöne Seite an dieser Katastrophe ist, dass wir so viel wie noch nie vorher an Rückmeldung haben von Seiten des Publikums, von Seiten der ganzen Südstadt, wo sich die Leute plötzlich regen und in den Netzwerken ihre Kommentare abgeben. Einzig und allein die Verwaltung versucht, sich krampfhaft zu rechtfertigen, indem sie sagt, sie hätten Zuschüsse gegeben. Aber innerhalb eines Zeitraums uns 30.000 zu geben und unseren umliegenden Theatern eine Millionen. Daran kann man schon sehen, was das für ein Verhältnis ist. Dass man das nicht überleben kann, wenn sich nicht irgendwann die Förderpolitik ändert, ist eigentlich klar.

Wie geht es jetzt für Sie und für Hannelore Honnen weiter? Sie haben gesagt, dass Sie als Regisseur auf jeden Fall weiter tätig sein werden. Zudem sind Sie seit vielen Jahren auch Liedsänger bei der Band Zinnober. Werden Sie nun wieder mehr Musik machen?

Dadurch, dass ich so viel im Theater zu tun hatte, musste ich die Kollegen da schmählich im Stich lassen. Wir haben zwischendurch Wohnzimmerkonzerte gegeben und haben jetzt seit genau einem Jahr nicht gespielt. Das könnte sich wieder ändern. Ich will natürlich die Zeit nutzen, weil ein Theater zu leiten, ist ein Fulltime-Job in jeder Beziehung. Und ab Januar kann ich wirklich wieder mit Schreiben anfangen. Vielleicht proben wir auch, vielleicht machen wir Konzerte. Das steht auch noch alles in den Sternen. Aber das sind so die Möglichkeiten. Aber wenn andere Theater Lust haben, mich als Regisseur anzufragen, gerne.

Sie haben zurzeit mehr als ein Dutzend Stücke im Repertoire. Was geschieht nun damit?

Das ist auch interessant. Wir haben im Grunde rund 15 Produktionen, die stehen. Und die sind ja mit relativ wenig Aufwand auch auf jede andere Bühne zu bringen. Insofern werde ich mal schauen, ob wir das verkaufen können. Wir könnten die Stücke an anderen Bühnen, die sich ja dann auch um nichts mehr kümmern müssen, spielen. Und unter den Stücken sind ja auch so wunderbare Sachen wie „Die Möwe“ von Tschechow oder „Peer Gynt“ von Ibsen dabei. Da haben wir damals dann auch immer entsprechend Lob gekriegt: „Großes Theater auf kleiner Bühne“, hieß es dann. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie man mit dem, was produziert worden ist, umgehen kann. Das würde ich mir wünschen.

Was würden Sie sich von Ihrem Publikum zum Abschied wünschen und was wünschen Sie Ihrem Publikum zum Abschied?

Das, was ich immer schon gewünscht und auch bekomme habe, ist Applaus. Und unserem Publikum brauche ich eigentlich Theaterbegeisterung nicht mehr zu wünschen. Wer mal hier oder überhaupt in einem Theater war und das erlebt hat, was eine Vorstellung bedeutet, die an einem Abend live gespielt wird, der weiß auch, was er davon hat. Es gibt aber immer mehr junge Leute, die nie ein Theater betreten. Und das würde ich mir wünschen, dass das wieder zunimmt. Wir haben bei unseren Vorstellungen oft auch Kinder im Publikum. Wie die sich der Handlung ganz hingeben, ist einfach schön zu beobachten. Die schauen nicht nur zu, sondern die erleben auch was. Und diese kindliche Freude an sowas, die sollte sich jeder bewahren.

(Foto: Mathis Beste)

Das Ende des Theaters

Die letzten Rezensionen:

Tür auf, Tür zu

Tief traurige Gestalten

Hucke, Scholmann in Tür auf, Tür zu im Theater am Sachsenring Köln

Ingrid Lausunds TÜR AUF, TÜR ZU im Theater am Sachsenring

…’Ouvertüre!’ verkündet zunächst der Chor. Aus Spargründen besteht er nur aus einer Person (Richard Hucke) und führt fortan durch das Stück. Es tritt auf eine sprechende Tür (Jonas Herkenhoff): ‚Die Tür geht auf, die Tür geht zu.‘ Und wieder auf und wieder zu, während sich drinnen Leute begegnen und sagen, was man so sagt…

Und dann passiert’s. ‚1. Akt‘, meldet der Chor, denn man ist im Theater – ‚Tür auf, Tür zu‘ heißt das Stück von Ingrid Lausund, das Hausherr Joe Knipp im Theater am Sachsenring inszeniert. Und heißt es für Anneliz, die Frau im schicken grünen Kleid (Bettina Scholmann), die nur mal kurz draußen war…

Mit ihrem kleinen Dreipersonenstück, das quasi ohne Ausstattung auskommt (Kostüme Hannelore Honnen), ist Ingrid Lausund 2011 ein Drama von Beckettschem Format gelungen, das Joe Knipp und das großartige Ensembletrio mit präzisem Timing auf der Bühne zum Schillern bringen. Haarfein ziseliert Bettina Scholmann Anneliz’ eskalierende Gefühlslagen zwischen Angst, Wut, Unsicherheit und Verzweiflung. Denn wie sehr sie sich auch anstrengt, wütetet, gurrt und intrigiert, es gibt keine Erklärung, keine Erlösung und kein Dabei-Sein mehr: ‚Die Tür ist zu‘.

Wie Becketts Antihelden wirken Anneliz und ein später Leidensgenosse (Hucke herrlich kläglich) oft absurd komisch und sind doch tief traurige Gestalten.

…Die Tür bleibt zu. Aber Anneliz vielleicht am Ende doch auch ein kleines bisschen mehr bei sich.“ (Kölnische Rundschau 9. März 2019; Foto: Barbara Siewer)

65 Minuten. Nächste Vorstellungen 25. bis 27. April, jeweils 20 Uhr. Sachsenring 3, Karten-Tel. 0221/31 50 15

(Kölnische Rundschau 9. März 2019; Foto: Barbara Siewer)

Scholmann, Herkenhoff in Tür auf, Tür zu im Theater am Sachsenring Köln

Rhein Kultur: Tür auf, Tür zu – von Christoph Zimmermann

Warum hat Regisseur Joe Knipp gerade dieses Stück gewählt? Den TaS-Leiter fasziniert das Absurde bei der Autorin. Damit wird man auch bei „Tür auf, Tür zu“ eine gute Stunde lang bedient. Was vom Titel her auf eine Komödie hinauszulaufen scheint, wie man sie vielleicht im Theater am Dom erwartet, entpuppt sich immer stärker als eine Häufung kafkaesker Situationen, deren humoristische Brillianz freilich durchgehend erhalten bleibt. Nur der finale Angang der weiblichen Hauptperson schlägt kurz in einen „Ernst des Lebens“ um.

Was geschieht? Eine Frau (Bettina Scholmann) steht vor einer verschlossenen Tür, welche sie sonst stets ohne Schwierigkeiten passieren konnte. Mit dieser Situation muss sie sich unvermutet auseinandersetzen und tut dies mal angstvoll, mal mit großer Allüre. Wut und Panik schäumen hoch. Gleichzeitig melden sich Selbstzweifel und fatale Erinnerungen an die Jungmädchenzeit. Aber diese Ich-Befragung wirkt nicht schwertastig, Ingrid Lausund scheint sich oft einen regelrechten Jux machen zu wollen.

Das will primär auch die Inszenierung, welche die leere Bühne mit quirligem Leben erfüllt. Die Darsteller (weiterhin Richard Hucke und Jonas Herkenhoff als sprechende Tür) geben sich fulminant aufgekratzt, bei hochgradiger Sprachdisziplin. CZ

Gerne mal fies sein – Sharon Edelstein über Rollenwünsche

Zeitungsartikel über Sharon Edelstein

„…Sie selber achte privat sehr darauf, wie sie mit Menschen umgehe, betont Edelstein und meint damit Achtung und Respekt. ‚Aber ich finde es großartig, wenn ich mal eine Rolle bekomme, in der ich so richtig fies, dreckig und derb sein kann.‘

Derzeit spielt sie dreimal im Monat (das nächste Mal am 14./15. und 16. Februar) im Theater am Sachsenring. Das Stück ‚Püdel Tam Tam‘ handle von drei Wesen (Püdeln), die die Menschheit überlebt haben ‚und nun zurückblicken auf das, was die Menschheit war und wie die Menschheit zu ihrem Ende gekommen ist.‘ Also ein Drei-Personen-Stück? – ‚Ein Drei-Frauen-Stück‘, korrigiert Edelstein und erzählt, dass sie, Anna Möbus und Nina Ruhz die meiste Zeit auch zu dritt auf der Bühne stehen und ununterbrochen sprechen. ‚Und wenn wir nicht sprechen, singen wir‘, ergänzt sie und lacht…“

Kölner Stadt-Anzeiger Januar 2019

Weihnachten oder Hochzeit

Edelstein, Möbus, Ruhz als Püdel

 

Gelungen: Uraufführung der Revue PÜDEL TAM TAM im Theater am Sachsenring

VON BARBRO SCHUCHARDT

„Nach dem großen Erdenbeben“ ist die Menschheit ausgestorben. Doch im All entstand eine neue Spezies – die Püdel. Sie versuchen mit viel Tam Tam, ihre merkwürdigen Vorgänger zu verstehen, indem sie etwa einem ihnen unbekannten Gefühl wie „Liebe“ nachspüren. Doch heraus kommen nur klägliche Parodien …

Joe Knipp, dem Hausherrn des Theaters am Sachsenring, ist mit der Uraufführung seiner dystopischen Revue „Püdel Tam Tam“ ein großer Wurf gelungen. Mit der Musik seines langjährigen Weggefährten Albrecht Zummach („Zinnober“) entwickelte er eine dadaistische Endzeitvision in Reim und Prosa, mit hochdeutschen und kölschen Versen, sphärischen Klängen und Brecht/Weill-Reminiszenzen, bei aller Komik pessimistisch grundiert.

Die drei jungen Schauspielerinnen Anna Möbus, Nina Ruhz und Sharon Edelstein leisten dabei Fabelhaftes. Sie singen und tanzen, weinen und lachen

Kölnische Rundschau Dezember 2018

Premierenfoto von PÜDEL TAM TAM

Alle hoffen und alle leiden

Kussszene in Die Möwe im Theater am Sachsenring Köln

 

DIE MÖWE im Kölner Theater am Sachsenring

VON NORBERT RAFFELSIEFEN

Ein Haus am See und auf dem Grundstück eine kleine Bühne, auf der Kostja (Paul Behrens), der Sohn einer Starschauspielerin, sein erstes experimentelles Stück zur Aufführung bringen will. Das Unterfangen scheitert auf ganzer Linie, denn das erlesene Publikum an diesem Premierenabend ist voreingenommen. Allen voran Kostjas Mutter Arkadina (Anna Möbus), die ihren Sohn nicht ernst nimmt. Sind doch seine 25 Lebensjahre der Beweis dafür, dass die Mutter ihre eigene, sorgsam konservierte Jugend längst hinter sich gelassen hat. In dem vom Erfolg gelangweilten Star-Autor Trigorin (Richard Hucke), arrogant und autoaggressiv gleichermaßen, findet Arkadina einen wohlfeilen Verbündeten für ihre bösen Sticheleien. Es wird allerdings für die Mutter ein schaler Triumph der Etablierten gegen den „Aufstand der Jugend“. Nina (Jennifer Tilesi Silke), Kostjas junge Muse und Herzensdame, die sein Stück spielt, findet Gefallen an dem Geliebten der Mutter und der ist seinerseits nicht abgeneigt, auf die Avancen einzugehen.

Die Dispute um Kunst, Literatur und Theater die am See geführt werden, sind immer auch Stellvertreterkriege um die sich anbandelnden Liebesdramen…

…hinter der Nichtigkeit schimmern die menschlichen Dramen durch, Sehnsüchte und Liebeshoffnungen, die sich nicht erfüllen lassen und eine Weltverlorenheit, die diesen Seelen die Hoffnung, sesshaft zu werden, verweigert. Ja, jeder hat seine Sehnsucht und jeder leidet am Ende für sich allein – und alle Versuche der Kommunikation führen aneinander vorbei. Dieses Aneinander-vorbei-Spielen meistern die fünf – Nina Ruhz komplettiert als heimlich und unglücklich in Kostja verliebte Mascha den Reigen – stimmig besetzten und kraftvoll aufspielenden Schauspieler an diesem Abend souverän. Ihnen gelingt das Kunststück, die menschlichen Schwächen ihrer Figuren bloßzulegen und sie gleichzeitig mit einer Wärme auszustatten, die ihnen die Sympathie des am Ende begeistert applaudierenden Publikums bewahrt. Die Bühne wird zum Ort, an dem die Sehnsüchte für einen Moment zur gefühlten Wirklichkeit werden, bis ein Schuss hinterm Vorhang der Illusion ein Ende setzt.

​Kölner Stadt-Anzeiger Mai 2018

ALS ES NOCH MENSCHEN GAB

Möbus, Huhmann und Welling in Die Käfer

 

DIE KÄFER im Kölner Theater am Sachsenring

Alida Pisu schreibt: „Aus dem dunklen Off ist ein Summen zu hören, das immer bedrohlicher anschwillt. Als es schließlich abbricht und es hell wird, kleben sie förmlich an den Wänden: drei schwarze Käfer, verkörpert von Heike Huhmann, Anna Möbus und Charlotte Welling. Sie sind jedenfalls die perfekte Illusion von Käfern, in ihren spinnwebenzarten Ganzkörperkostümen, mit denen sie eine unglaublich körperliche Präsenz ausstrahlen und eine wahre Augenweide sind (Bühne und Kostüme: Hannelore Honnen). Als sie feststellen, dass niemand außer ihnen die Apokalypse überlebt hat, wird ihnen klar: ‚Nicht ein Kind wird um uns weinen… Denn es ist kein Kind mehr da‘, erinnern sie sich: ‚Wisst ihr noch? Der Mensch war da.‘ Und beschließen, Menschen zu spielen ‚und wie sie das Herzchen zu fühlen…

‚Die Käfer‘ muss man sehen! Weil sie eben doch eine Vision zeigen und in den Texten und Liedern eine unglaubliche Kraft steckt, die die Hoffnung auf ein Morgen für die Menschen in sich trägt. Drei großartige Darstellerinnen, ein sensibel begleitender Musiker und eine beeindruckende Inszenierung, die man so schnell nicht vergessen wird.“

Wir sind ein kleines, unbeugsames Dorf

„Kultur sei in einer Stadtgesellschaft ein Lebenselixier. ‚Wenn das nicht begriffen wird, wird man in Zukunft eine weitere Verrohung beklagen müssen. Denn dort, wo Kultur fehlt, wächst Gewalt‘, glaubt der Mann, der 2001 die erste Kölner Theaternacht begründet und mit dieser in der Bundesrepublik damals noch einmaligen Veranstaltung bis heute einen Publikumsmagneten hervorgebracht hat.“

(Susanne Hengesbach im KStA, 2017)

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